Dr. Josip Stjepandić: „M.M. anrufen, wenn Du Kroatien verunglimpfen willst“ (2) – ergänzte Artikel

Vrijeme:6 min, 7 sec

 

Die Situation der Kroaten in Bosnien-Herzegowina ist wirklich prekär. Aus der serbisch dominierten Republika Srpska wurden sie bereits in den 90er Jahren fast alle vertrieben. Rückkehrer werden von den zahlreichen serbischen Extremisten bedroht und mitunter ermordet, wie der jüngste Fall in Derventa zeigt. In der anderen Landeshälfte (Föderation BiH) stehen sie – obwohl gleichberechtigt nach dem Wortlaut der Verfassung – unter einem enormen politischen Druck der Bosniaker, die im Frieden das tun möchten, was den Serben im Krieg gelang: die Kroaten zu unterwerfen und schließlich zu verdrängen. Obendrein kommen die sog. Vertreter der internationalen Staatengemeinschaft, die meistens wie die moslemische, bosniakerische Lobbisten handeln. Die Österreicher Wolfgang Petritsch und Valentin Inzko sind in ganz schlechter Erinnerung geblieben, weil sie als Hohe Repräsentanten die politischen Rechte der Kroaten stark beschnitten hatten. Als Dessert gibt es Journalisten wie Michael Martens, die es immer wieder fertigbringen, über die Kroaten schlecht zu schreiben, ohne mit ihnen gesprochen zu haben.

In seinem Artikel „Machtspiel um eine Pipeline: Wo das Gas noch aus Russland kommt“ (FAZ, 28.2.24, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/wieso-bosnien-hercegovina-noch-gas-aus-russland-bekommt-19549686.html) beschreibt Michael Martens, wie Bosnien-Herzegowina durch den Bau einer zusätzlichen Gas-Pipeline unabhängig vom russischen Gas werden könnte. Dies stören aber die „bösen Kroaten aus Herzegowina“, angeführt von Dragan Čović, unterstützt vom Ministerpräsidenten Kroatiens Andrej Plenković.

Zunächst überspringt der Autor die Frage, warum eine so heftige Kampagne für die sogenannten „Südverbindung“ jetzt stattfindet. Bis zur Fertigstellung der Gaspipeline könnten zehn Jahre vergehen und bis dahin könnte die russische Aggression gegen die Ukraine vorbei sein, sodass die Entscheidung über den besten Gaslieferanten ohnehin auf der Grundlage der veränderten Situation und anderer Kriterien getroffen würde. Der geschätzte Jahresumsatz von 80 Millionen Euro ist für jeden großen Zulieferer von untergeordneter Bedeutung.

Die dem Artikel beigefügte Grafik mit einer schematischen Landkarte von B-H. zeigt bereits auf, dass der Autor das eigentliche Problem überhaupt nicht verstanden hat. Demnach verläuft die betreffende Pipeline von der kroatischen Grenze bis Travnik in der Mitte von B.-H. von rund 130 km Länge ganz überwiegend durch Bosnien. Unkundiger Leser könnte nämlich schließen, dass sich die Kroaten aus Herzegowina in Angelegenheit einmischen, die sie überhaupt nicht angeht. Warum regen sie sich auf und wollen das Geschäft durch eine neu gegründete Betreibergesellschaft in Mostar verwalten, wenn die Pipeline durch ihr Gebiet gar nicht verläuft? Dabei übersieht der Autor, dass die Pipeline ausschließlich durch die mehrheitlich von Kroaten besiedelte Gebiete wie Završje (Tropolje), welche weder zu Bosnien noch Herzegowina gehört, verläuft. Es ist daher ein legitimes Recht, das wichtige Wirtschaftsgut mitzuverwalten. Dies hätte der Autor erfahren, wenn er sich bei den Kroaten erkundigt hätte.

Solche Wirtschaftspolitik hat seit 1918. Tradition. Österreich-Ungarn war der letzte Herrscher, der in die mehrheitlich von Kroaten besiedelten Region investiert hat. Die Schmalspurbahn, die einst für die bescheidene Mobilität und Transport gesorgt hat, wurde im kommunistischen Jugoslawien ersatzloch abgebaut. Keine Autobahn, keine größere Fabrik, kein Kraftwerk, kein größeres Krankenhaus, keine Universität – schließlich sollten die Kroaten nach der Ansicht des „gut vernetzten Gesprächspartners in Sarajevo“ (offensichtlich bosniakerischen Nationalität) auch das Recht verlieren, sich gegen das Unrecht zu wehren!?

Es gibt nämlich ein Gasversorgungsunternehmen in Sarajevo namens BH Gas, das sich um die Versorgung der Zentralregion von B.-H. mit dem russischen Gas kümmert. Das Unternehmen ist allerdings finanziell schwer angeschlagen, denn es droht eine Nachzahlung im Schiedsgerichtsverfahren in Höhe von mehr als einem halben Jahresumsatz. Eine Besonderheit von BH Gas ist seine Führungsstruktur. Neben dem Serben Mihajlo Krmotić sitzen 9 Bosniaker und kein Kroate. Dies ist die Gleichberechtigung nach Sarajevo-Art!

Der Autor, aber auch der mächtige transatlantische Partner, mokieren sich darüber, dass für ein geplantes Stück Pipeline, das in etwa zehn Jahren fertiggestellt werden soll, gleich eine neue Betreibergesellschaft aufgebaut werden soll. Gleichwohl gibt es neben BH Gas zwei weitere Gas-Pipeline-Gesellschaften in der Republika Srpska: Gas Promet, Pale sowie Sarajevo-Gas, Istočno Sarajevo, die jeweils 19 bzw. 40 km Pipeline verantworten. Alles nachzulesen im letzten verfügbaren Bericht der BH Gas für das Jahr 2021, der im Web unter dem Titel „Geschäftsbericht für das Jahr 2017“ gefunden werden kann! (https://www.bh-gas.ba/wp-content/uploads/2023/03/Izvjestaj-o-poslovanju-za-2021_web.pdf). Logischer Schluss: Alle Nationalitäten dürfen das Gasgeschäft in B.-H- betreiben, außer die Kroaten.

Darüber hinaus handelt es sich um ein langfristiges Projekt zur alternativen Gasversorgung des Zentralgebiets von B.-H. rund um Sarajevo, das überwiegend von Bosniaken bewohnt wird, mit einem Zweig, der noch gebaut werden muss, in Richtung Mostar, das etwa zur Hälfte von Kroaten und Bosniaken besiedelt wird. Hält irgendjemand in Washington, Berlin oder Brüssel es wirklich für angemessen, ein solches Kapitalprojekt vom ersten Tag an auf Antagonismus und sogar Feindseligkeit gegenüber den Kroaten aufzubauen? Welche Reaktion wäre denn von den Kroaten zu erwarten, wenn sie vom ersten Tag an vom Spiel ausgeschlossen würden? Ganz zu schweigen vom gegenseitigen Vertrauen und der Einheit der drei Völker in Bosnien-Herzegowina, die nur durch äußeren Druck zusammengehalten werden.

In Deutschland und den USA ist der Gasmarkt stark dezentralisiert. Das Gasgeschäft in Deutschland wird traditionell im Ruhrgebiet betrieben – weit von der Hauptstadt Berlin. In Washington ist die Situation ähnlich. Warum muss dann im Vielvölkerstaat Bosnien-Herzegowina alles unter der Führung der Bosniaker strikt zentralisiert werden, die in den letzten 30 Jahren bewiesen haben, dass sie das Land nicht voranbringen können? Wäre es nicht an der Zeit, Teile der Wirtschaft in die Hände der Kroaten zu geben, die ihre Gebiete durch Privatinitiative wirtschaftlich weiterentwickelt haben als die politisch dominanten Bosniaker und Serben.

Die Gasinfrastruktur ist in Kroatien recht weit verbreitet, sodass es viele erfahrene Experten gibt, die wahrscheinlich bereit wären, in Mostar eine verantwortungsvolle Position zu übernehmen. Kein Kroate, der eine existenzielle Alternative hat, würde heute freiwillig nach Sarajevo gehen, wo täglich eine mediale Hetze gegen Kroaten stattfindet.

Wie eine verfehlte Energiepolitik aussieht, zeigen viele Windräder in den Kroatengebieten, die von den chinesischen Investoren aufgestellt, von Firmen aus Sarajevo verwaltet werden und sonst still stehen, weil der Netzanschluss fehlt!

Wenn die Vermögensverhältnisse stimmen, die Dragan Čović nachgesagt werden, dann ist er bestimmt hochkorrupt. Dies ist leider kein Unterscheidungsmerkmal im heutigen Bosnien-Herzegowina. Was will man aber über die bosniakerische Oligarchie in Sarajevo sagen, wo z.B. ein gefälschtes Universitätszeugnis ausreicht, um als Leiterin der Frauenklinik und Universitätsprofessorin Karriere zu machen, wie mittlerweile abgesetzte Sebija Izetbegović, die Frau des mächtigsten bosniakerischen Politikers Bakir eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat?

Čović ist bestimmt anzukreiden, dass er die Bilanzfälschung bei BH Gas toleriert und noch keinen Insolvenzantrag angeregt hat. Dann würde wenigstens die finanzielle Situation klar und manchen Vorwürfen der Boden entzogen.

Und schließlich: Falls alle kroatischen Politiker in B.-H. korrupt sind, ist dies ein Grund, den Kroaten sämtliche Mitwirkungsrechte bei Staatsunternehmen zu verweigern?

Michael Martens ist ein erfahrener Journalist, der sein Geschäft gut versteht, und die FAZ war die angesehenste Zeitung in Deutschland. Ihre Verfehlungen sind daher sehr kritisch zu beurteilen, denn sie schreiben über die Kroaten, was sie von nicht genannten Quellen aus Belgrad und Sarajevo hören. Leider sieht es danach aus, als würden sie wieder nach dem Motto arbeiten: „M.M. anrufen, wenn Du Kroatien verunglimpfen willst“ .

 

Dr. Josip Stjepandić

Präsident der Kroatischen Akademie der Wissenschaften und Künste in der Diaspora und der Heimat

Hrvatsko nebo

Dr. Josip Stjepandić: „M.M. anrufen, wenn Du Kroatien verunglimpfen willst“